Zeit der Monologe

Neulich habe ich mal wieder Hilde gesehen. An einem dieser komplett verschwitzten Tage. Auf der belebten Kurfürstenstraße. Nähe Einstein. Mit zerrissenem Anorak, Kapuze auf dem Kopf, in Rock und rosa Gummistiefeln. Stapfte mit schweren Schritten vor mir her, schob den Kinderwagen mit den vollgestopften Plastiktüten und murmelte ihren üblichen Monolog: dass das Wohnzimmer geputzt werden muss, der Junge eine neue Hose braucht und Mutter sie endlich nicht mehr schlagen soll.

Irgendwann merkt Hilde, dass ich schon eine ganze Zeit hinter ihr gehe, dreht sich um, schaut mir kurz mißtrauisch in die Augen, greift in eine der Plastiktüten und zieht ein abgeranztes Mobiltelefon hervor, das sie garantiert irgendwo gefunden hat. Das Ding hält sie sich ans Ohr und spinnt umstandslos weiter: dass der schwarze Vogel noch immer bei ihr wohnt und beim Sozialamt keiner auf sie hört. Quatscht ihren Text also endlos in das kaputte iPhone und keiner achtet mehr auf sie. Plötzlich ist Hilde eine von uns. Unterwegs im Auftrag des Fortschritts. Alles normal. Nur, dass sie noch den Kinderwagen mit den Plastiktüten bei sich hat. Aber das fällt auch nicht weiter auf.

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